Andre Comte-Sponville - Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben

ISBN 3498009117

FAZIT:

Was ist Moral? Comte-Sponville sagt, dass sich Moral aus unterschiedlichen 18 Tugenden aufbaut. Diese bauen zeitlich und inhaltlich sequenziell auf einander auf. Dieses Buch regt zum denken an!

1. Die Höflichkeit
„die Höflichkeit ist also früher als die Moral, oder vielmehr ist die Moral zunächst nur Höflichkeit: Unterordnung unter die Konvention [...], unter die geltende Regel, das geregelte Spiel der Äußerlichkeiten – Unterordnung „Die Höflichkeit (>> das tut man nicht <<) ist früher als die Moral (>> das darf man nicht <<)“(S.22)

2. Die Treue
„Die Treue ist nicht ein Wert unter anderen, eine Tugend unter anderen; sie ist das, wodurch und weswegen es Werte und Tugenden gibt. Was wäre die Gerechtigkeit ohne die Treue der Gerechten ? Der Friede ohne die„Für das Denken bedeutet Treue, sich weder Veränderungen in seinem Denken zu verschleißen (Dogmatismus), noch es etwas anderem als sich selbst zu unterwerfen (Glaube), noch es für absolut zu halten (Fanatismus), ...].“(S.37)

3. Die Klugheit
„Die Höflichkeit ist der Ursprung der Tugenden; die Treue ihr Prinzip; die Klugheit ihre Bedingung.“(S.45)
„Die Klugheit hat etwas Bescheidenes, Instrumentales: Sie dient Zielen, die nicht die ihren sind, und denkt selbst nur an die geeigneten Mittel. Was sie aber unersetzlich macht: Keine Handlung, keine Tugend – jedenfalls keine handelnde Tugend – käme ohne sie aus. Die Klugheit herrscht nicht (dazu eignen sich Gerechtigkeit und Liebe besser), aber sie regiert.“(S.47)„Die Klugheit ist nicht Wissenschaft; sie ist der Ersatz dafür in Situationen, in denen es kein gesichertes Wissen gibt.“(S.47)

4. Die Mäßigung
„Die Mäßigung ist dieses Maßhalten, durch das wir Herr über unsere Genüsse bleiben, anstatt zu ihren Sklaven
zu werden. Sie ist freier Genuß, der um so lustvoller ist, als er auch seine Freiheit genießt. Wie genussvoll, zu rauchen oder auch darauf verzichten zu können! Zu trinken und nicht vom Alkohol abhängig zu sein! Die Sexualität auszuleben und nicht seinen Treiben hörig zu sein!“(S.54) „Die Mäßigung ist ein Mittel zur Unabhängigkeit, so wie diese ein Mittel zum Glück ist.“(S.55)

5. Der Mut
„Egoistischer mut ist Egoismus. [...] Uneigennütziger Mut ist Heldentum; ... .“(S.61) „Vom psychologischen oder gesellschaftlichen Standpunkt aus wird Mut zwar immer positiv gewertet, doch moralisch wertvoll wird er erst, wenn er zumindest teilweise im Dienst des anderen aufgebracht wird, wenn er also mehr oder minder nicht von unmittelbarem Eigennutz bestimmt wird.“(S.62) „Ohne die Klugheit wären die anderen Tugenden blind oder sinnlos; doch ohne den Mut wären sie nutzlos oder ohne Tatkraft. Ohne Klugheit könnte der Gerechte nicht die Ungerechtigkeit bekämpfen; doch ohne Mut würde er es nicht wagen.“(S.65) „Alle Vernunft ist universell; aller Mut ist individuell. Alle Vernunft ist anonym; aller Mut ist persönlich. Darum braucht man bisweilen auch Mut für das Denken, so wie es Mut für das Leiden und das Kämpfen braucht: ...“(S.67)

6. Die Gerechtigkeit

„Die Gerechtigkeit ist wohl die einzige der vier Kardinaltugenden, die absolut gut ist. Klugheit, Mäßigung und Mut sind nur Tugenden, sofern sie dem Guten dienen, oder nur in bezug auf Werte – wie zum Beispiel die Gerechtigkeit -, die über ihnen stehen oder sie veranlassen. Im Dienste des Bösen oder der Ungerechtigkeit wären Klugheit, Mäßigung oder Mut keine Tugenden mehr, ... .“(S.77) „Gerechtigkeit meint zwei Dinge: einerseits Rechtlichkeit (dem Recht entsprechend), andererseits Gleichheit (gerechtes Aufteilen).“(S.79) „Nach Platon ist die Gerechtigkeit das, was dafür sorgt, dass jeder seinen Anteil, seinen Platz, seine Aufgabe bekommt, und so die hierarchische Harmonie des Ganzen bewahrt.“ (S.81)

7. Die Großherzigkeit

„Die Großherzigkeit ist die Tugend des Schenkens.“(S.107) „Das französische Wort solide, von dem sich << solidarisch >> ableitet, bedeutet << fest >>, << massiv >>, un corps solide ist ein fester Körper, bei dem alle Teile fest zusammenhängen (in dem die Moleküle gleichsam solidarisch sind, im Gegensatz zum flüssigen oder gasförmigen Zustand),  so dass alles, was einem Teil zustößt, auch den anderen Teilen zustößt oder sich auf sie auswirkt.“(S.108) „Doch kommen wir zur Großherzigkeit zurück. Dass die Solidarität sie erwecken, anregen, verstärken kann, ist unzweifelhaft. Aber sie ist nur wirklich großherzig, sofern sie das Interesse, selbst das wohlverstandene und sogar das geteilte, übersteigt – sofern sie also über die Solidarität hinausgeht!“(S.111)

8. Das Mitleid (das Buch lesen;) )

9. Die Barmherzigkeit (das Buch lesen;) )

10. Die Dankbarkeit (das Buch lesen;) )

11. Die Demut (das Buch lesen;) )

12. Die Einfachheit (das Buch lesen;) )

13. Die Toleranz

„Karl Popper nennt dies << das Paradox der Toleranz >>. << wenn man absolut, selbst gegen die Intoleranten, tolerant ist und die tolerante Gesellschaft nicht gegen deren Angriff verteidigt, werden die Toleranten vernichtet, und mit ihnen die Toleranz.>>“(S.191) „So, wie die Monarchie auf Ehre, die Republik auf Tugend, der Despotismus auf Angst aufbaut, so baut der Totalitarismus, wie Hannah Arendt ergänzt, auf Ideologie oder (von innen gesehen) auf Wahrheit auf. Insofern ist jeder Totalitarismus intolerant: [...]“(S.194)

14. Die Reinheit


„Eros wäre unmöglich, oder jedenfalls wäre nichts erotisch daran, ohne Philia oder Agape (es bliebe nur der rein tierhafte Trieb, wie langweilig!), und ich neige mit Freud zur Ansicht, dass auch das Umgekehrte wahr ist.“(S.214)

15. Die Sanftmut


„Die Sanftmut ist eine weibliche Tugend. Deshalb gefällt sie vor allem den Männern. [...] Tugend ist immer an das Wünschen geknüpft, und welches Wünschen wäre nicht geschlechtlich?“(S.217) „Die Griechen und insbesondere die Athener rühmten sich, der Welt die Sanftmut beschert zu haben. Sie sahen darin das Gegenteil der Barbarei und insofern mehr oder weniger ein Synonym zu ihrer Zivilisation. Ethnozentrismus gibt es nicht erst seit gestern. da aber unsere Zivilisation auf jeden Fall griechisch ist, ist unsere Sanftmut zum Teil ihr zu verdanken.“(S.222) „Auf der niedrigsten Ebene bedeutet Sanftmut freundliche Umgangsformen, Wohlwollen, das man anderen gegenüber bezeugt.“(S.223)

16. Die Aufrichtigkeit


„Aufrichtig sein bedeutet nicht, immer die Wahrheit zu sagen, denn man kann sich ja irren, doch es bedeutet, wenigstens die Wahrheit über das zu sagen, was man glaubt, und selbst wenn man einer falschen Meinung anhinge, wäre diese Wahrheit darum nicht weniger wahr.“(S.229-230)

17. Der Humor


„Es ist unhöflich, sich wichtig zu machen. Es ist lächerlich, sich ernst zu nehmen. Dem Humorlosen mangelt es an Demut, an klarem Verstand, an Leichtigkeit, er ist zu sehr von sich selbst eingenommen, fällt auf sich selbst herein, ist zu streng oder zu aggressiv und lässt es daher fast immer an Großherzigkeit, an Sanftmut, an Barmherzigkeit fehlen.“(S.247)

18. Die Liebe

„<< Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse >>, heißt es bei Nietzsche."

EROS
„Ihr Name ist Eros, ihr Wesen Entbehren, ihre Krönung die Liebesleidenschaft. Wer von entbehren spricht,  spricht von Leiden und Besitzansprüchen. Ich liebe dich: ich will dich (bekanntlich wird in Spanischen beides mit einem Wort ausgedrückt: te quiero). Das ist die begehrliche Liebe der Scholastiker, das ist der Liebesschmerz der Troubadoure, das ist die Liebe, die Platon im Gastmahl und – noch unerbittlicher – im Phaidros beschreibt; es ist die eifersüchtige, die versessene, die besitzergreifende liebe, die sich mitnichten immer über das Glück dessen freut, den sie liebt (wie dies eine großherzige Liebe täte), und dir furchtbar leidet, sobald diese Glück den anderen von ihr entfernt oder ihr eigenes bedroht.“(S.279)

PHILIA
„ Das Griechische ist hier klarer und verwendet ohne Bedenken das Verb philein (lieben, ganz gleich, was für einem Objekt diese Liebe gilt) sowie, vor allem für die zwischenmenschlichen Beziehungen, das Substantiv philia. […] … Vorbild ist die Liebe von Eltern, Geschwistern oder Kindern, aber auch die Liebe von Verliebten, die sich nicht völlig mit eros fassen lässt oder sich in diesem erschöpft; … […] Mit einem Wort: philia ist die Liebe, die zwischen Menschen aufkommt, ungeachtet der formen, die sie annimmt, und solange sie nicht auf Entbehrung oder Leidenschaft (eros) beschränkt ist.“(S.298) „Eros und philia verbinden sich fast immer, und das nennt man dann eine Paarbeziehung oder eine Liebesgeschichte. Nur dass eros sich in dem Maße abnutzt, wie er befriedigt wird, […], wohingegen philia bei einem glücklichen Paar immer stärker, immer tiefer wird, sich immer mehr entfaltet, ... .“(S.309)

AGAPE
Agape ist schöpferische Liebe. [...] Agape konstatiert nicht Werte, sondern schafft Werte. Agape liebt und verleiht dadurch Wert. Der von Gott geliebte Mensch hat keinen Wert an sich; was ihm einen Wert gibt, ist gerade dies, dass Gott ihn liebt. Agape ist ein wertschaffendes Prinzip.>>“(S.327) „Vielleicht eine bestimmte Vorstellung von der Menschheit, an die alle menschen gebunden sind: das ist das, was die Griechen Philanthropia nannten, was sie als << eine natürliche Neigung, die Menschen zu lieben >>, bezeichneten, << eine Art zu sein, die zum Wohltun und zum Wohlwollen ihnen gegenüber führt >>.“(S.329) „Es gäbe also, um zusammenzufassen, um zu vereinfachen, drei Arten zu lieben, oder drei Typen der Liebe, oder drei Stufen der Liebe: das Entbehren(Eros), die Freude (Philia), die Nächstenliebe (Agape). es ist möglich, dass diese letztere in Wahrheit nur eine Aura von Sanftmut, Mitleid und Gerechtigkeit ist, die die Gewalt des Mangels und der Freude lindert, die das, was die anderen
Lieben an zu Brutalem und zuviel an fülle haben können, mäßigt oder aushöhlt.“(S.339)